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Hörbahn on Stage Rena Dumont Gespräch 13. Dezember 2019
Hörbahn on Stage Rena Dumont Gespräch
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Herzlichen Dank an Jörg Joachim für sein Interview.

http://jjschreibt.de/2017/magie/

5. Dezember 2013

Buchtip

Lucia Hodinka im Gespräch mit Mirjam Steger

www.radiobremen.de

 

http://www.buecher-leben.de/

 

1969 wurde Rena Dumont als Rena Zednikova im mährischen Städtchen Prostějov geboren und flüchtete mit siebzehn Jahren gemeinsam mit ihrer Mutter nach Deutschland. Wie ihre Romanfigur verbrachte sie acht lange Monate in dem Asylbewerberheim Königssee. Nachdem sicher war, dass sie in Deutschland bleiben durfte, zog Rena Dumont nach München. Bevor sie vier Jahre später zum Schauspielstudium nach Hannover ging, verdiente sie ihr Geld mit zahlreichen Jobs. Seit 1995 arbeitet sie als Schauspielerin auf verschiedenen deutschsprachigen Bühnen wie auch bei Film- und Fernsehproduktionen. (http://www.renadumont.de/vita/)

Rena Dumont (Foto (c) privat)/Christian Hartmann)

Rena Dumont (Foto (c) privat/Christian Hartmann)

Zu  Ihrem ersten Jugendroman „Paradiessucher“ (Hanser, 2013) habe ich mit der Autorin ein Interview geführt.

Rena, bei Deinen Rückblenden in die tschechische Heimat erzählt die Romanfigur Lenka, dass es völlig normal war, mit 18 Jahren das erste Kind zu bekommen, mit 22 bereits mehrere Kinder zu haben und kurz vor der Scheidung zu stehen oder (was mich bestürzt hat) mit Anfang zwanzig bereits dreimal abgetrieben zu haben (wie die naive Cousine Trubka im Roman). So lebte man Mitte der Achtziger und stellte es offensichtlich auch nicht in Frage. Warum hat Mann/Frau nicht einfach verhütet?

Rena Dumont:

Es gab in der damaligen Tschechoslowakei keine Verhütungsmittel zu kaufen. Ausserdem wusste man wenig darüber. Das Kinderkriegen hatte  eine andere Bedeutung als heute. Wieso sollte man verhüten, wenn man mit 25 bereits als  Spätgebärende galt? Es war angesagt eine junge Mutter zu sein. Der Staat hatte eine frühe Mutterschaft willkommen geheißen, indem er jungen Paaren eine Wohnung zusicherte.  Lenka ist ein Beispiel dafür, dass es durchaus Mädchen oder jungen Frauen gab,die das nicht wollten.

Als Du damals mit Deiner Mutter in Deutschland um Asyl gebeten hast, wurdest auch nur Du alleine nach Zirndorf eingeladen?

Rena Dumont:

Meine Mutter wurde nicht eingeladen. Ob noch andere Asylbewerber aus unserem Lager eingeladen waren, weiss ich nicht.

Was hättest Du gemacht, wenn tatsächlich nur Du alleine in Deutschland hättest bleiben dürfen?

Rena Dumont:

Soweit wäre es gar nicht gekommen. Ich war ja nicht volljährig und somit hätte ich trotz Asyls meine Mutter begleiten müssen. Das war mir allerdings erst im nachhinein bewusst. Mutters Unterlagen waren tatsächlich verschlammt worden, die deutschen Behörden hatten kein Interesse daran, eine Familie zu trennen. Persönlich gesehen hätte ich meine Mutter niemals verlassen, dafür liebte ich sie zu sehr . Nein, ich wäre niemals alleine in Deutschland geblieben.

In einem Kapitel ärgert sich die Protagonistin Lenka darüber, dass immer nur politische Gründe für eine Flucht dargestellt werden, nur selten aber die wirtschaftlichen, die letztendlich aber auch zur politischen Folge dazugehören – und nicht weniger schlimm waren.

War der wirtschaftliche Grund damals für die meisten Menschen als Argument für ein Asylgesuch nicht bedeutend genug?

Rena Dumont:

Für die Asylbewerber aus den damaligen Ostblockländern schon, aber man befürchtete, die Chance Asyl zu bekommen sei für Wirtschaftsflüchtlinge geringer als für politische.

Wann warst Du das erste Mal nach Deiner Flucht wieder in Deiner Heimatstadt?

Rena Dumont:

Wenige Monate nach der Wende.

War das ein schwerer Schritt für Dich und wie hast Du dieses Wiedersehen erlebt?

Rena Dumont:

Wir waren aufgeregt und haben uns sehr gefreut alte Freunde wieder zu sehen. Als ich dann vor dem Haus, in dem ich geboren wurde, stand und es betrachtete, heulte ich wie ein Schlosshund. Meine Großeltern waren gestorben, auch der Pudel war tot. An der Klingel stand ein anderer Name. Unsere Familie war ausgelöscht. Es gibt ein Photo von diesem Tag. Ich stehe vor diesem Haus, die Fassade ist abgebröckelt und im Vordergrund steht ein alter, türkisfarbener Skoda. Der gleiche Skoda, der auf dem Cover von „Paradiessucher“ zu sehen ist. Ansonsten hatte sich nichts verändert. Ich bin nach, wie vor mit meiner Heimat sehr verbunden.

Welche Bedeutung hat für Dich heute das Wort „Heimat“ und „Wurzeln“?

Rena Dumont:

Je älter ich werde, umso wichtiger werden mir meine Wurzeln. Früher hatte ich das Bedürfnis meine Identität zu verheimlichen. Ich verdeutschte meinen Namen, pflegte keine Kontakte mit Tschechen und las nur deutsche Bücher. Heute empfinde ich meine tschechischen Wurzeln als Bereicherung, eine positive und wohltuende Erweiterung meiner Sicht auf die Welt und meiner Gefühle. Meine Heimat ist ein Teil von mir, den ich niemals leugnen kann und will. Das gebe ich auch an meine Kinder weiter, sie sind zweisprachig und sollen die Mentalität verstehen.

Gibt es etwas, was Du  aus Deiner alten Heimat vermisst?

Rena Dumont:

Den tschechischen Humor. Eine seltsame Art von Ironie, die in der deutschen Sprache definitiv nicht funktioniert.

Wenn Du mit diesem Buch auf Lesungen in Schulen bist, welche drei Fragen werden Dir am häufigsten von den Jugendlichen zu Deinem Buch gestellt und wie beantwortest Du diese?

Rena Dumont:

1.

Warum haben Sie überhaupt ein Visum bekommen?

Antwort: Zufall. Im Normalfall wurden alle Anträge abgelehnt, oder nur einem Familienmitglied zugeteilt, wegen der Fluchtgefahr. So versicherte man sich seiner Rückkehr . Es gab aber auch Zufälle, wie bei uns, im Jahre 1986.

2.

Wie geht die Tunnelgeschichte aus? (Nachdem ich aus dem „Tunnelkapitel“ vorgelesen habe.)

Antwort: Das erzähle ich nicht. Überraschung.

3.

Warum sind Sie abgehauen?

Antwort: Ich erzähle den Zuhörern ausführlich die Beweggründe, die letztendlich auch im Buch stehen. Anhand von anderen Beispielen versuche ich ihnen, die Zusammenhänge nahe zu legen. Z.B. wie es war, nicht zu einer Schauspielaufnahmeprüfung zugelassen zu werden, nur weil man sich ein Stück vom Tennessee Williams  ausgesucht hatte. Einem Amerikaner eben.

Wird es noch weitere Bücher geben und wenn ja, weiterhin im Genre Kinder- und Jugendbuch?

Rena Dumont:

Ich hätte durchaus Lust einen zweiten Teil zu schreiben und ich wüsste auch ganz genau, was ich zu sagen hätte. Ob es tatsächlich erscheint, hängt nicht von mir ab. All das entscheidet auch der Erfolg von „Paradiessucher“. Der zweite Teil wäre ein Buch für junge Erwachsene, aber letztlich entscheidet der Verlag über das Genre, oder die Zielgruppe.

Zur Zeit arbeite ich an meinem dritten Buch.

Und last but not least auch für Dich die berühmten drei letzten „Bücher leben!“-Fragen:

Wann schreibst Du? (morgens, mittags, abends, immer)

Rena Dumont:

Vormittags, wenn ich Ruhe in der Bude habe.

Wie schreibst Du? (Laptop, per Hand, PC)

Rena Dumont:

Laptop.

Wo schreibst Du? (Arbeitszimmer, Küchentisch, Baumhaus, überall)

Rena Dumont:

Überall. Im Zug, auf dem Ofen,( in Tschechien hat man Öfen auf denen man liegen kann – sehr gemütlich !), im Café, im Liegestuhl, im Wohnzimmer, im Baumhaus, Überall.

Sabine Hoß